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Alltagsgeschichten

Über den Dächern von Wien und Deckstein

Ein Interview der etwas anderen Art mit Christian Ingomar, Schauspieler und Vorleser im Altenzentrum Deckstein.

Vorleser Ingomar

Herr Ingomar, können Sie bitte kurz etwas über sich und Ihren Werdegang erzählen?

Ich bin gebürtiger Österreicher, in Salzburg zur Welt gekommen, in Wien aufgewachsen. Ich war ein Kleinkind, als meine Eltern mit mir nach Wien gegangen sind. Ich habe da ganz normal meine Schulbildung gemacht,Abitur, habe zu studieren begonnen und abgebrochen, weil es nichts für mich war. Daraufhin hab ich die Schauspielschule besucht und dann angefangen in Wien Theater zu spielen. 1978 bin ich dann nach Deutschland gegangen, weil damals, wie ich immer so gern sage, alles, was am Theater spannend war, nicht in Wien stattgefunden hat [lacht]. Ich ging also nach Deutschland, meine erste Station war Göttingen und dann bin ich von Theater zu Theater rumgezogen. Bin überall gewesen, Hamburg ist die einzige Großstadt, in der ich nicht gelebt habe. Sonst hat mich mein Beruf einfach überall hingeführt. Darüber hinaus habe ich ein paar Jahre in der Schweiz gelebt.

Und bin jetzt, erstaunlicherweise, seit 16 Jahren in Köln. Ich war noch nie in meinem Leben, inklusive Kindheit und Jugend zusammen, so lange an einem Ort. Ich war viele Jahre im festen Engagement und hab irgendwann entschieden, frei zu arbeiten. Ich hab an vielen Projekten teilgenommen, darunter auch mit Musikern gearbeitet. Da ich mich auch sozial engagiere, arbeite ich seit einigen Jahren an der Uni Köln als Simulationspatient, wo Medizin-Studenten lernen sollen, in unterschiedlichen Situationen schwierige Gespräche mit Patienten zu führen, darunter auch in palliativen Situationen.

Wie sind Sie dazu gekommen, in einer Einrichtung für ältere Menschen vorlesen zu wollen?

Ich mache seit über 30 Jahren Leseprogramme unterschiedlichster Art und indem Zusammenhang habe ich vor vielen Jahren Dieter Herff kennengelernt. Eines Tages rief mich Dieter an, er könnte sich vorstellen, dass das interessant wäre für mich, da er jemanden fürs Vorlesen suchen würde. Solernten wir uns, Frau Yilmaz und ich, kennen und seit Oktober 2015 lese ich hier vor. Das Vorlesen ist etwas, was ich sehr gerne mache und hoffentlich gut verbinden kann mit einem kleinen Vergnügen für die Bewohner.

In Ihrer Vorlesegruppe nehmen auch demenziell erkrankte Bewohner teil. Haben Sie in ihrem Umfeld schon mal die Erfahrungen mit Demenz gemacht?

Also, der direkte Umgang mit dementen Menschen ist für mich eine neueErfahrung. Ich habe im familiären Kreis vor ein paar Jahrzehnten einen schweren Fall von Demenz erlebt, das war eine entfernte Tante von mir. Das kriegte ich aber nur am Rande mit, weil ich in Deutschland lebte und nur ein- bis zweimal im Jahr zu Besuch in Wien war. Damals wurde sie dann in die Psychiatrie eingewiesen. Und jetzt vor kurzem habe ich es erlebt bei meiner Mama, aber nur im ganz beginnenden Stadium. Meine Schwester und ich haben uns dann sehr intensiv in die Literatur eingelesen, Gespräche geführt, um zu lernen, wie man sich verhält. Aber ich habe es nicht annähernd in dem Maße erlebt, wie es hier in diesem Hause ist. Und ich bin mir nach wie vor nicht so sicher, in wieweit ich hier mit dem Vorlesen jemanden erreiche.

Hatten Sie im Vorfeld, bevor Sie zu uns gekommen sind, Ängste oder Befürchtungen?

Angst ist übertrieben, aber Unsicherheit. Ich war mir unsicher und fragte mich: „Kann ich das? Traue ich mir zu viel zu? Wie wird es sein?“ Unsicherheit ist nach wie vor da, und ich habe immer wieder das Gefühl, ich bin im Grenzbereich zwischen Künstler und Therapeut. Ich werde viel angesprochen, vor allem von den Damen, die ich auf dem Zimmer besuche. Die sind viel mehr interessiert an einem persönlichen Gespräch als an der Lektüre und erzählen mir ihr halbes Leben und ich muss gucken, wie komme ich da wieder raus. Da komme ich in einen therapeutischen Bereich, wo ich ganz klar sage, das kann ich nicht und das will ich nicht. Ich habe einen wahnsinnigen Respekt vor Menschen wie Ihnen, die diese Arbeit machen, aber ich weiß von mir, dass ich das nicht kann.

Was wünschen Sie für sich, wenn Sie älter werden?

Ich habe für mich eine klare Entscheidung getroffen, wenn ich in die Situationkommen sollte, in der ich nicht mehr handlungsfähig bin, dann habe ich vorgesorgt.Ich hoffe, dass ich nicht in die Zwangslage komme, dann wirklich in so ein Zimmerchen ziehen zu müssen. Ich empfinde es als eng, bedrückend und bin erstaunt, wie klein so ein Zimmer ist.

Haben Sie ein Schlusswort?

Aus Italien: „Wenn der Junge wüsste und der Alte könnte, gäbe es nichts, was nicht vollbracht würde.“

Vielen Dank für das Gespräch!

Derya Yilmaz, Soziale Betreuung Deckstein

Clarenbachwerk Aktuell Ausgabe Juni 2016

 

Irrmis Alltag

Ich will keine Schokolade“!

Noch bevor Tinta und Irrmi die Zimmertür der Patientin Brigitte (54 Jahre alt) erreichen, ertönt ihr Ruf bis auf den Gang hinaus. Brigitte hat gute Ohren, ein prima Gedächtnis und eine rasche Auffassungsgabe. Beim letzten Besuch zwei Wochen zuvor hatten sich die beiden Clowns mit diesem Lied von Trude Herr von Brigitte verabschiedet.

Lachend betreten die beiden Brigittes Zimmer, die Wiedersehensfreude ist groß.

Wieder wünscht sich Brigitte Musik, einen Rock´n Roll-Klassiker von Elvis kann Brigitte schon nach zwei Takten mitsingen. Die anwesenden Besucherinnen von Brigitte bekommen Rhythmusinstrumente in die Hand gedrückt. Brigitte selbst sorgt an passenden Stellen mit einem kleinen Quietscher für rhythmisch-komische Akzente.

Die Stimmung ist großartig. Eine ehrenamtliche Betreuerin wird von der Party angelockt, schließlich kommt auch noch die Musiktherapeutin mit einer großen Djembé dazu.

„Ihr seid meine Therapeutinnen!“ ruft Brigitte glücklich aus. Ein größeres Lob für unsere Arbeit hätte uns Brigitte nicht geben können. Sie gesteht uns, dass sie eigentlich gar keinen guten Tag hat, und bis zu unserem Besuch in einer schlechten psychischen Verfassung gewesen sei.

 

„Im Arsch treten“

Günter ist 53 Jahre alt, als wir ihn zum ersten Mal in seinem Zimmer besuchen. „Es ist doch gar kein Karneval“, fragt er irritiert. Unsere Erklärung, wir seien Klinikclowns, hilft ihm auch nicht weiter. Von Klinikclowns hat er noch nie gehört. Als Tinta ihm eine Info-Postkarte geben will, winkt er ab. Das interessiere ihn alles nicht. Es ginge ihm gar nicht gut. Er schimpft vor sich hin, sagt, er könne gerade weder sich selbst noch sonst jemanden leiden. Wir lassen ihm zunächst den Raum, sich zu artikulieren, und bieten ihm an, er dürfe uns beide mal in den Hintern treten.

Wir strecken ihm den Allerwertesten entgegen, und er stupst uns sanft mit dem großen Zeh an. Als Clowns müssen wir natürlich übertreiben, und so geraten wir durch seine „Tritte“ gehörig aus dem Gleichgewicht.

Er entschuldigt sich vielmals, denn mit soviel Wirkung hat er nicht gerechnet. Er ist ganz kleinlaut, also bieten wir ihm Revanche an.

Nun dreht er sich im Bett auf die Seite, so dass wir nun unsererseits ihm einen sanften Tritt in den Hintern verpassen. Er ist erleichtert, denn nun sind wir quitt.

Günter ist jetzt sichtlich entspannter, und als wir ihm noch ein Rezept ausstellen, taut er endgültig auf. 3 x täglich „Im Arsch treten“, lautet die Clownsverordnung, schriftlich und mit Autogrammen auf einer lustigen Postkarte verewigt. Günter verspricht uns beim Abschied, das Rezept auf jeden Fall einlösen zu wollen.